1. Januar 1993
Bundesgericht
1000 Lausanne
Vierfach
In Sachen
1.
V.T.
Beschwerdeführer
2.
Edmund Schönenberger
BF, Beschwerdeführer 1 vertr. durch mich
gegen
1.
Psych. Anstalt Kilchberg
2.
Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich
Beschwerdegegner
3.
Regierungsrat des Kantons Zürich

erheben wir
staatsrechtliche
Beschwerde
mit den Anträgen, der Entscheid des BG 3 vom 11.11.1992
sei aufzuheben und meiner Klientin sei die unentgeltliche Rechtspflege samt
-beistand zu gewähren, unter Kosten- und Entschädigungsfolge.
Begründung:

l. Am Sonntag, den 17.5.1992, drangen der behandelnde Arzt meiner
Klientin und zwei Männer in ihre Wohnung ein und zwangen sie, in ein Fahrzeug
zu steigen. Sie wurde in die psych. Anstalt Kilchberg verfrachtet und dort
genötigt, chemische Substanzen zu schlucken. Am 18.5.1992 wandte sie sich an
die Psych. Gerichtskommission des Kantons Zürich (PGK). Am 21.5.1992 erteilte
sie mir den Auftrag, sie zu verteidigen und ihre Entschädigungsansprüche zu
verfechten (Beilage 2). Am 22.5.1992 konstituierte ich mich unter Vorlage
meiner Vollmacht per Fax sowohl bei der PGK als auch bei der Anstalt. Letzterer
übermittelte ich zusätzlich eine Erklärung meiner Klientin, wonach sie die
Ärzte mir gegenüber vom Berufsgeheimnis entband (Beilagen 3 - 5).
Anschliessend verlangte ich beim Direktor der Anstalt telefonisch die
Entlassung, welche er noch gleichentags verfügte.

Am 1.6.1992 bat ich
die Anstalt mündlich und am 16.6.1992 schriftlich um Zustellung der Akten
(Beilage 6). Deren Herausgabe wurde mit der Begründung verweigert, es müsse
eine aktualisierte Vollmacht vorgelegt werden (Beilage 7). Im
Beschwerdeverfahren schützten Gesundheitsdirektor (Beilage 8) und
Regierungsrat diesen Standpunkt. Letzterer funktionierte mich zudem
kurzerhand zur Partei um und auferlegte mir die Kosten (Beilage l).

2. Wann ein
privatrechtliches Verhältnis zwischen zwei Parteien beendet ist, bestimmen
noch immer diese selbst und nicht der Staat. Die Vorinstanzen haben nicht
geltend gemacht, die am 21.5.1992 erteilte Vollmacht sei widerrufen worden.
Dies ist auch nicht der Fall (Beilage 9).

3. Inhaltlich ist die
Vollmacht mit den Betreffnissen "Folter, Freiheit, Entschädigung
etc." weit gefasst. Sie legitimiert mich "zu allen Rechtshandlungen
eines Generalbevollmächtigten" und zur "Vertretung vor allen
Gerichten" und "Verwaltungsbehörden" (Beilage 2). Es versteht
sich von selbst und entspricht überdies der Usanz, dass die Akteneinsicht
durch eine Anwaltsvollmacht abgedeckt ist.
4. Nach der Entlassung
meiner Klientin bleiben ihre auf Art. 13 EMRK gestützten
Feststellungsbegehren wegen Verletzung von Art. 3 und 5 EMRK sowie auf Art. 5
Ziff. 5 EMRK und Art. 429a ZGB gestützte Klagen auf Entschädigung offen. Auch
dieser Teil des Auftrages ist durch die Vollmacht vom 21.5.1992 prima vista
abgedeckt. Von Unklarheit oder einem Anwendungsfall des § 38 Abs. l ZHZPO
kann keine Rede sein.

Die Vorinstanzen
haben ebenfalls nicht geltend gemacht, Feststellungsbegehren oder
Entschädigungsklagen meiner Klientin seien erledigt. Gegenteils war das
Aktengesuch als Ouvertüre solcher Vorkehren zu betrachten.
Zwangseinweisung,
-aufenthalt und -behandlung stellen sogenannte Verwaltungsakte dar. Die
beteiligten Instanzen nehmen staatliche Funktionen wahr. Die dabei
anfallenden Akten sind amtliche. Auf diese hat meine Klientin Zugriff.
5. Art. 4 BV
garantiert meiner Klientin das Recht auf einen Vertreter und auf
Akteneinsicht. Darüber hinaus verbietet er schikanöses Verhalten. Die
Vorinstanzen haben die Akteneinsicht bis jetzt verweigert. Trotz gültiger
Vollmacht eine neue zu verlangen, stellt eine reine Schikane dar. Ergo ist
die Verfassung doppelt gebrochen worden.
6. Art. 6 Ziff. l EMRK garantiert meiner
Klientin den Zugang zum Gericht. Selbstverständlich fallen unter diese
Garantie sämtliche Vorbereitungshandlungen, soweit der Staat daran beteiligt
ist.
Mit der schikanösen
Verweigerung der Akteneinsicht behindern die Vorinstanzen die
Klagevorbereitungen meiner Klientin. Auch dieses Menschenrecht ist gebrochen
worden.

7. Mit dem
Kostenentscheid erschlägt der Regierungsrat zwei Fliegen auf eine Klappe.
Partei in den Verfahren der Vorinstanzen war meine Klientin (Beilage 10).
Offenbar in der Annahme, ich als deren Parteivertreter habe mein Mandat
mangelhaft geführt, macht er mich zur Partei und brummt mir die Kosten auf.
Damit usurpiert er mein Menschenrecht auf eine Entscheidung durch ein
Gericht.
Ist meine Mandatsführung
fehlerhaft gewesen und werden deswegen meiner Klientschaft die Kosten eines
Verfahrens auferlegt, besitzt sie zivilrechtliche Ansprüche gegen mich. Es
geht nun keineswegs an, dass der Regierungsrat über eine plumpe
Parteiumbenennung ohne gerichtliches Verfahren, sondern als
Verwaltungsbehörde über solche Ansprüche entscheidet. Art. 6 Ziff. l EMRK ist
abermals gebrochen worden.

Mit seinem Manöver
fegt der Regierungsrat obendrein die gestellten Anträge auf unentgeltliche
Prozessführung und -verbeiständung vom Tisch. Nach dieser Rechtsverweigerung
ist für ihn die tabula rasa, für uns das Mass voll.
8. Der Anspruch meiner Klientin auf
Unentgeltlichkeit in Ihrem Verfahren begründet sich mit der Verfügung der PGK
vom 2.6.1992 (Beilage 11, Ziff. 2).
9. Damit ist die
Beschwerde begründet.

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10. Ich habe mir schon vor Jahren geschworen, keine Beschwerden mehr nach
Strassburg zu schicken, weil ich das Ganze als Betrug betrachte. Von
eintausend (registrierten und nicht registrierten) Beschwerden werden nur
gerade deren rund drei vom Europ. Gerichtshof gutgeheissen und mit etlichem
propagandistischem Aufwand an die grosse Glocke gehängt, so dass männiglich
meint, die Menschenrechte würden in Europa gelten. Würden indessen die 997
nichtbehandelten oder abgewiesenen Beschwerden eine nach der andern mit
gleichem Tamtam breitgeschlagen, würden dem Volk sehr schnell die Augen
aufgehen, wie himmeltraurig es um seine Menschenrechte bestellt ist. In der
Schweiz beispielsweise sind im Bereich Straf- und psychiatrischer Verfolgung
Zehntausende von Verbrechen gegen die Menschenrechte verübt worden. Nicht nur
sind diese Verbrechen triumphal und hartnäckig geleugnet worden, den
Verfolgten ist auch nie Genugtuung widerfahren.
11. Die Zeit ist reif, auch Sie in meinen Schwur miteinzubeziehen.
Gelegenheit also, in dieser meiner letzten Beschwerde noch ein wenig mit
Ihnen & consortes abzurechnen.

12. Vor über einem Vierteljahrhundert habe ich den Reigen meiner Querelen
mit Ihnen eröffnet, weil ich der Ansicht war, die Regelung der Stadt Zürich,
von den rund 1000 Taxis nur gerade deren rund 150 auf die besten öffentlichen
Standplätze zuzulassen, verstosse gegen das Gleichheitsgebot der schweiz.
Bundesverfassung. Sie haben die Beschwerde mit der Behauptung abgeblockt,
wenn alle Taxis die öffentlichen Standplätze benützen könnten, käme es zum
Kampf. Jahre später wurde allen Taxis ein solches Benutzungsrecht eingeräumt.
Der Kampf blieb aus. Ihr Urteil ist an der Geschichte zerplatzt.

13. Vor 22 Jahren wollte ich im Kanton Zürich nach einjährigem Praktikum
während und nach meinen juristischen Studien die Anwaltsprüfung ablegen.
Meine Anmeldung wurde mit der Begründung abgewiesen, Voraussetzung für die
Zulassung sei ein einjähriges Praktikum ausschliesslich nach Studienabschluss.
In meiner zweiten Beschwerde an Sie verglich ich die Frage, was mehr gelte,
die Praxis während oder nach dem Studium, mit der berühmten Frage, was zuerst
komme, das Huhn oder das Ei. In Ihrem Entscheid haben Sie die Frage
beantwortet: Es hat Ihnen gefallen, mich bachab zu schicken. Sie haben wohl
geahnt, was für ein schwer verdaubarer Brocken da auf Sie zukommt und noch
schnell versucht, mir einen Knebel zwischen die Beine zu werfen.
Vergeblich!
- ich bin gleichwohl Anwalt geworden.

14. Zwei Jahrzehnte lang amte ich nun schon als Klagemauer Tausender von
Menschen. Über eintausend habe ich als KlientInnen angenommen und bei einem
Gutteil Einblick in sämtliche Einzelheiten der Fälle gewinnen können. Ich bin
zu einem der wohl bestorientierten Männer über die Schattenseiten dieses
Landes geworden.
15. Annähernd hundert Mal (wenn nicht darüber) habe ich Fälle meiner
Klientele auch vor Ihre Instanz gezogen. Sie haben regelmässig das ewig
gleiche Lied heruntergeleiert: Es sei alles rechtens in diesem freiheitlich
demokratischen Rechtsstaat.

16. Was die Freiheit wert ist, davon zeugt gerade der vorliegende Kasus.
Diese "Rechts"-Ordnung lässt - von Ihnen abgesegnet - zu, dass der
Arzt, der doch eigentlich die Geheimnisse wahren müsste, seine eigene
Kundschaft an die Zwangspsychiatrie verraten darf.
17. Anfangs des letzten Weltkrieges geboren, habe ich die nachfolgende
Periode des Kalten Krieges miterlebt. Die Schweizer haben im Chor des Westens
gegen Osten geschrien und dort die Versenkung von Menschen ohne
Gerichtsurteil angeprangert. Gleichzeitig haben die Schweizer Abertausende
von Menschen ohne Vorführung vor den Richter in Gefängnissen und ohne
Gerichtsurteil in psychiatrischen Anstalten verlocht.

18. Der Geist der Scheinheiligkeit trieft noch heute aus allen Poren
dieses Landes. Über die Wiedergutmachungen, die zu leisten wären, schweigen
alle still.
19. Seit 1981 können die psychiatrisch Verfolgten den Richter anrufen und
seit 1992 werden die strafrechtlich Verfolgten zum Teil dem Haftrichter
vorgeführt.
Zu allen Epochen der
Menschheit ist die Figur des Richters als Hüter von Recht und Gerechtigkeit
hochgepäppelt worden. Weil vom Volk gewählt, sei er unabhängig.
Kein
Scharfsichtiger fällt darauf herein.
Den unabhängigen
Richter gibt es nicht. Richter sind gewöhnliche Sterbliche und sprechen nicht
Recht, sondern setzen mit Macht um, was zuvor von andern - mit gleicher Macht
- zum Gesetz erhoben worden ist.

20. 1984 habe ich die Verteidigung eines Mannes übernommen, welcher 23
Jahre in psychiatrischen Anstalten eingekerkert und täglich massiv mit
chemischen Substanzen vollgestopft worden war. Die PGK und Sie haben die Entlassung
abgelehnt. Noch während des Berufungsverfahrens habe
ich meinen Klienten mit sechs Journalisten besucht. Eine
Woche, nachdem sich der Chefredaktor einer namhaften Zeitschrift mit
kritischen Fragen an die Anstalt gewandt hatte, war er frei. Seither befindet er sich in ununterbrochener Freiheit. Wäre es nach
Ihnen gegangen, wäre er weiterhin seiner Freiheit beraubt und mit Chemie
gefoltert worden. Macht und Einsicht vertragen sich schlecht. In Ihrer
Uneinsichtigkeit gingen Sie gar soweit, das nach der Entlassung gestellte
Revisionsbegehren abzuschmettern.
Auch
der Richter ist kein Garant für die Freiheit.

21. Herrscht das Volk?
Was ich von
Helvetiens Musterdemokratie halte, ist in meinem Pamphlet "Nieder mit der Demokratie" nachzulesen (Beilage 12).
Die
Schweiz ist eine Musterplutokratie.
22. Gefängnis, psychiatrische und andere Anstalten sind
existenzvernichtend. Viele Insassen werden in den Selbstmord getrieben. Die
aufgezwungene Chemie führt nicht selten zum Tod.

23. Ich habe die Hinterbliebenen eines harmlosen jungen Algeriers
vertreten, welcher von einem Polizisten auf der Flucht erschossen worden ist.
Dem Schützen wurde von allen Instanzen - auch von Ihnen - zugebilligt, dass
die Flucht allein seinen tödlichen Schuss gerechtfertigt habe.
Fortsetzung 

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